Gründung
Seit 50 Jahren brüllt der Löwe Anmerkungen zur Geschichte des Lions-Clubs Prien Als sich am 4.Juli 1959 auf Einladung von Dr. Herbert Matusczyk 13 honorige Männer trafen, um die ersten „Lions“ des neu zu gründenden Clubs zu werden, waren sie in zweifacher Hinsicht etwas einsam. Zum einen fehlte der Mehrheit von ihnen hinsichtlich Idiom wie Freundeskreis die engere Bindung an die sie umgebende Welt, schon gar an „Priener Sozialisation“. Zum anderen waren die nächsten „Lions-Verwandten“, also bereits bestehende Clubs, noch relativ weit entfernt und in sehr übersichtlicher Zahl zu finden. Die Priener Lions bildeten auch einen Teil jener Avantgarde vor einer Gründungswelle, welche die deutschen Lande in den folgenden drei Jahren überrollte. Heutzutage, da unsere Breiten beinahe systematisch lionistisch missioniert wurden, ist kaum vorstellbar, dass die Nachbarclubs sich erst in Salzburg, Passau, Regensburg oder München finden ließen. Freilich, - think big ! -, als Patenclub gewann man keinen geringeren als den „LC Versailles- Doyen“, was dem Unternehmen „Lions-Club Prien“ eine geradezu höfische Anmutung verlieh. Das Motiv für diese Patenschaft war gegeben durch Schloss Versailles und seine Kopie auf der Herreninsel, durch den persönlichen Mut Herbert Matusczyks, einfach nach Paris zu fahren und um dort anzufragen, und den Zeitgeist der beginnenden deutsch-französischen Freundschaft unter Adenauer und de Gaulle - 15 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges! Der exotische Gründungspate entsprach auch durchaus dem elitären Anspruch des neuen Priener Clubs. Wenngleich die Abende mit ihren Vorträgen anfangs als reine Herrenveranstaltungen mit erheblichem allgemeinem Zigarrenverbrauch gestaltet waren, waren doch die Damen unserer Gründer- Lions immer wieder eingeladen. Sie wussten vielen Veranstaltungen äußeren Glanz zu verleihen, neben dem inhaltlichen und sozialen hatte dieser einen nicht unerheblichen Stellenwert. Von Anfang an wurde auch der soziale Aspekt keineswegs vergessen: Häufig fanden bei den Clubabenden „Hutsammlungen“ statt, um aktuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Blättert man in den Unterlagen aus den Anfangsjahren, so fallen einige heute wohl eher exotisch empfundene Verhaltensweisen auf: die ausgesucht formulierte, genau begründete schriftliche Entschuldigung bei Nichtteilnahme an einem Clubabend. Oder die verbindliche Kleiderordnung bei verschiedenen Anlässen. Oder der Hinweis: „Bei den letzten Clubabenden wurden einige Mitglieder ohne Lionszeichen gesichtet, der Schatzmeister kann Abhilfe schaffen!“ Auch die regelmäßige Vorstellung einer aktuellen Neuerscheinung, eines „Buchs des Monats“ spricht neben den Vorträgen der Mitglieder für ein ausgeprägtes Bildungsstreben. Eine unerwartete Form von „Öffentlichkeitsarbeit“ bestand in der Bekanntgabe der nur Mitgliedern zugänglichen Clubabende mit genauem Vortragsthema in der heimischen Presse. Und: der Club tanzte, offensichtlich viel und gern: Bei der Gründungsfeier ebenso wie auf Frühlingsfesten mit den Nachbarclubs oder Jubiläen. So auch bei der Feier des „Zehnjährigen“ auf Schloss Amerang 1969 . Bedeutsamer freilich war den Lions damals aber die Einrichtung eines „Jubiläumsfonds zur Würdigung künstlerischer Leistungen im Chiemgau“, wie man stolz in der Presse verkündete. Im gleichen Zeitungsbericht ist über das soziale Engagement des Clubs zu lesen: „Der Lions-Club Prien ...bemüht sich in erster Linie um tätige Hilfe in der Gemeinde Prien. Darüber hinaus greift er auch ein, wenn es gilt, außerhalb des örtlichen Bereiches Not zu mildern, wie bei Naturkatastrophen, schweren Unglücksfällen und beim Aufbau der Rheuma-Kinderklinik in Garmisch-Partenkirchen. Weit über 50 000 Mark konnten in diesen zehn Jahren vom Lions-Club Prien für solche Zwecke zur Verfügung gestellt werden.“ (Chiemgau Zeitung v. 24.7.1969) Die internationalen Kontakte mit dem LC Versailles pflegte man naturgemäß von Anfang an besonders: In den sechziger Jahren, wo ganz Deutschland begann, massenhaft auf Reisen zu gehen, kann man die Treffen zwischen beiden Clubs zu den frühen Höhepunkten der Clubgeschichte zählen: zuerst der Besuch unseres Patenclubs in Prien: Feierlich-großartig, unter Aufbietung aller Trümpfe, die unsere Kulturlandschaft bereithält, gestaltete sich die Charterfeier am 24.9.1960: Chiemsee-Rundfahrten mit Booten aller Art, Besichtigungen der Inseln, Ausflüge nach Salzburg, Charterfeier mit Kammermusik und Kerzenbeleuchtung im Spiegelsaal, Festbankett im Schlosshotel mit „oberbayerischen Darbietungen“ - und natürlich Tanz ! Ebenso gehört der erste Gegenbesuch in Paris zu den frühen „Heldensagen“ des LC Prien. Wie etwa der internationale Fernexpress Budapest – Paris extra am Priener Bahnhof Halt machte, um die Reisegesellschaft aufzunehmen, von den überwältigenden Beweisen vorzüglicher Gastfreundschaft von Seiten der französischen Paten bis hin zur Entstehung durchaus enger persönlicher Beziehungen über alle Grenzen hinweg. Gemeinsame Reisen an Loire und Mosel ebenso wie später nach Baden und ins Elsass sowie viele offizielle und informelle Besuche prägen in diesen 50 Jahren ein nie abreißendes Freundschaftsband. Aber gleichzeitig bekamen andere Nachbarn mit ihrem Werben um formelleren Kontakt zu unserem Club eher eine gewisse Sprödigkeit zu spüren. Eine dieser Nachbarschaften führte aber dann doch zur Priener Patenschaft bei der Clubgründung und zu einer bis heute andauernden lockeren freundschaftlichen Verbindung: mit dem LC Bad Ischl. Sie war, etwa anlässlich der Ischler „Humanistischen Gespräche“, durchaus anspruchsvoller geistiger oder beim traditionellen „Stahelschießen“ freundschaftlich-geselliger Natur. Nicht unerwähnt lassen sollte man das Bemühen um internationale Kontakte durch gelegentliche Einladungen von Studenten des Priener Goethe-Instituts zu Clubabenden. Das soziale Engagement wurde in der Öffentlichkeit zumeist erfahrbar durch Einladungen an Bedürftige vor Weihnachten. Anfang der siebziger Jahre nahm der damalige Activitybeauftragte eine Kursänderung vor. Sie war bestimmt von dem Gedanken, durch direkte Hilfe die Not der „wirklich Bedürftigen“ zu lindern durch Geschenke und Geldspenden, die er persönlich überreichte. Wer in dieser Hinsicht als bedürftig zu gelten hatte, sollte durch eigene Nachforschung bei Behörden etc. ermittelt werden. Da diese Ambitionen doch sehr stark die Intimsphäre der unterstützen Menschen berührte, kam man nach einigen Jahren von dieser Praxis ab. Von da an unterstützte man alljährlich die Arbeit der Priener Ortswaisenrätin und reagiert auf konkrete Hilfsanfragen mit Geldbeträgen. Das zweite Jahrzehnt des Priener Lions-Clubs brachte die Erweiterung der internationalen Beziehungen durch eine Jumelage mit dem italienischen „Lions Club Desenzano del Garda e della Riviera“ Die langjährigen intensiven Beziehungen dieser Partnerschaft verdankte man über Jahre den Lionsfreunden Dr. Horst Lehnert und Ingegniere Romano Dubbini. Viele gegenseitige Besuche und gemeinsame Reisen ließen ein solides freundschaftliches Fundament entstehen, zu dem LF Dr. Fritz Bogenberger Italienischkurse beisteuerte. Generationsbedingt endete 1999 die Jumelage mit Desenzano. Nach eingehender Diskussion trat, besonders angeregt durch LF Dr. v. Daumiller, an ihre Stelle dann eine Jumelage mit dem Lions Club der Priener Partnerstadt Valdagno. Sie hat sich ebenso wie die weiter bestehende Beziehung mit dem Patenclub Versailles in den vergangenen zehn Jahren in verschiedenen Begegnungen bewährt und gibt Hoffnung auf eine weitere glückliche Zukunft. Das soziale Engagement hatte sich im Lauf der Jahre weiter entwickelt. So konnte man nach 25 Jahren Clubgeschichte anführen: „Unterstützung des Roten Kreuzes bei der Beschaffung eines Krankenwagens, Hilfe für die Erdbebenopfer im Friaul, Unterstützung der Musikschule Prien, bei der Beschaffung einer neuen Orgel für die Evangelische Kirche, Zuwendungen an das Caritas – Altenheim und die Kinderklinik in Aschau.“ Danach stieß man in neue geographische wie wirtschaftliche Dimensionen vor: Man förderte die Gründung von Schulwerkstätten und anderen Einrichtungen in Tansania. Wie so oft beginnen derartige Großunternehmen durch persönliches Erleben und direkte Betroffenheit. In unserem Fall war es unser Lionsfreund Dr. Fritz Reuther, der durch die Tätigkeit seines Sohnes als Entwicklungshelfer in Tansania einen nicht unbedeutenden Kreis Priener Bürger und auch den Lionsclub zu begeistern wusste. Höhepunkt dieser Activity war sicher der Transport von zwei LKWs und einer ganzen Lehrwerkstätte in mehreren Containern mit Werkzeugmaschinen auf dem Seeweg von Hamburg nach Tansania. Seit dieser Zeit trat der Club mit neuen Ideen des Fundraising an die Öffentlichkeit, so durch Floh- und Büchermärkte oder mit eigenem Stand auf dem Christkindlmarkt. Über eine weitere Besonderheit unseres Clubs, der Lions-Stiftung für häusliche Alten- und Krankenpflege, initiiert und bis heute getragen durch den nunmehrigen District-Governor LF Dr. Thomas Wrede, wird an anderer Stelle ausführlich berichtet. Die regelmäßigen Vorträge der Clubabende erfuhren seit Mitte der Siebziger Jahre eine äußerst ambitionierte Erhöhung durch LF Dr. Eugen Sasse: „Es kam ein Mitglied hinzu, das sie einen Philosophen nannten. Auch er fand es schön, die geselligen Abende, den Faschings- und Kegelabend und die gelegentlichen Vorträge der verschiedensten Gebiete zu erleben. Aber er erkannte, dass das Auditorium ein gutes intellektuelles Niveau hat und nicht nur an Unterhaltung, sondern auch an wissenschaftlichen und kulturellen Darbietungen interessiert ist. So schuf er eine Vortragsreihe in Jahreszyklen, deren Themen Mitglieder des Clubs als Dozenten übernahmen, an deren Abenden auch unsere Damen gern teilnahmen.“ (E.Sasse, Aufsatz zum 25jährigen Jubiläum, 1985) Und so hörte man seit Mitte der Siebziger in den Clubabenden allerhand über „Die Philosophie Hegels“, „Die Dichtkunst des Barock“ oder „Philosophie und Theologie im Barock“. In der Regel wirkt und gedeiht jeder Lionsclub eher im Zurückgezogenen – das ist eben das Charakteristische eines Clubs im Gegensatz zu Vereinen oder gar Parteien - so fällt umso mehr ins Auge, wenn man sich mit herausragenden Veranstaltungen in und für die Priener Öffentlichkeit präsentiert. Relativ spät fand als erste öffentliche Veranstaltung für ausgesuchte und persönlich angeschriebene Priener das erste Benefizkonzert statt: Am 1.April 1970 gab es im Kleinen Kursaal einen Konzertabend mit dem Bariton Christoph von Sicherer aus Rosenheim und dem nachmaligen Professor und Priener Lionsfreund Johannes Fischer. Die ausführliche persönliche Werbung und die großzügige Verteilung von Eintrittskarten erbrachten zwar ein volles Haus, freilich auch ein kräftiges wirtschaftliches Minus. Danach aber folgten weitere Benefizkonzerte mit beachtenswertem wirtschaftlichen Erfolg. Die Bandbreite reichte vom Liederabend mit Kammersängerin Erika Köth über Konzerte bekannter Kammerorchester, auch im Spiegelsaal von Herrenchiemsee, bekannter Geigenvirtuosen wie Linus Roth bis zu Auftritten des Musikkorps der Bayerischen Polizei oder des Liedermachers Werner Schmidbauer. Höhepunkte im örtlichen Kulturleben der 90er waren der Benefizabend von Staatsschauspieler Hans Clarin und die Ausstellung „In Chemnitz“. Aus der Stadt des neu gegründeten Clubs Chemnitz-Agricola, für den der Priener Club die Patenschaft übernahm, kamen bedeutende inzwischen längst international renommierte Künstler in den tiefen Süden des nunmehr glücklich wiedervereinigten Deutschlands. Gesellschaftlich von ungewöhnlichem Anspruch und realisiertem Format fanden die festlichen Schwarz-Weiß-Bälle „Bal Parè“ im Priener Fasching seit 1993, mit größtem persönlichen Einsatz ins Leben gerufen vom damaligen Präsidenten Franz Bruckmaier, großen Zuspruch. Leider ließ sich diese große Anstrengung im Clubleben nur bis 1995 aufrecht erhalten, dann wurde sie wieder aufgegeben. Am Ende der ersten 50 Jahre ist im Priener Lions-Club vieles gleich geblieben, manches hat sich geändert: sein innerer Anspruch, sein soziales und internationales Engagement und seine Mitgliederstruktur. Er ist „prienerischer“ geworden. Peter Hattenkofer